„Die Form wahren“ – zur Kunstgestaltungsarbeit von Andreas Sagmeister
Am Anfang steht der Wille zur Form; der Wille, die Form zu entwickeln, sie als dezidierte Formentscheidung zu gestalten und anschließend vorzustellen.
Sehr klare und einfache Abläufe, so scheint es, die in vielen Kunstpositionen beobachtbar sind, sich aber selten in solcher Klarheit als Formarbeit vorstellen wie im künstlerischen Werk von Andreas Sagmeister.
Dieses Oeuvre besticht durch einen „selbst-verständlichen“ Willen zur Formarbeit, zum Herausarbeiten einer klar definierten, eigenwirksamen formalen Gestaltung, die jedoch durchaus bewusste Anlehnungen an vorhandene Formerlebnisse des Künstlers wie auch des Betrachters haben kann - ob es sich jetzt um Annäherungen an abstrakte Grundfiguren der Geometrie handelt, um Funktionsgebilde wie z.B. eine Brücke oder auch um phantasiegeladene, narrative Objektsituationen wie etwa vorstellbare „Häuser für Feen“.
Stets aber ist eine Klarheit der Distanz gewahrt, die vor allem eines signalisiert: formale Eigenständigkeit. Jedes Objekt steht nicht nur im Sinne der Moderne für sich, sondern kommuniziert gleichsam auch auf der Basis der Erfahrungen der Postmoderne, also im Bewusstsein einer großen Fülle an Zuordnungsmöglichkeiten und stets vorhandener Erweiterungssituationen. Der Betrachter ist daher nicht a priori exkludiert und in eine erratische Annäherungsposition gezwungen, sondern er wird vielmehr zu einer Art von Partnerschaft geführt. Er nimmt ein selbständiges Gebilde wahr, etwas Vertrautes und doch zugleich in das bisherige Vertraute nicht komplett Eingebundenes, etwas Befremdliches und doch mit vielen Zugangsassoziationen Aufgeladenes: ein Stück, aus der Welt genommen, in dieser Welt geformt und doch mit dem leisen Anspruch, selbst ein wenig Welt zu sein oder zumindest auf die Möglichkeit zu einer solchen Selbständigkeit hinzuführen.
Die formalen Selbständigkeitsgebilde des Künstlers werden sehr bewusst für unterschiedliche Anlässe und Zuordnungssituationen geschaffen. Ob als Kleinskulptur am Körper im Sinne eines Schmuckgebildes oder als großformatiges monumentales Formereignis im öffentlichen Raum, ob im direkten Zusammenhang mit Architektur oder eingebunden in vorhandene Natursituationen - stets arbeitet Andreas Sagmeister an einer Formbestimmung, die selbständig und doch beziehungsfähig ist, die das Eigene genau so vorstellt wie die Öffnung der Individualität hin zu etwas „Mit-Teilbaren“. Bei diesem Prozess helfen durchwegs die vom Künstler sehr bewusst gesetzten Werktitel sehr markant.
Materialentscheidungen sind hier von größter Bedeutung – als Bedeutungsträger für sich wie auch als Formgeber und formale Partner zu- und miteinander. Die entwickelten Formen sind zwar unabhängig von ihrer Materialwahl denkbar, dennoch aber in einer konkreten künstlerischen Formulierung gestaltet, die sich als einheitlicher Ausdruck nach außen transportiert, d. h. Form und Material zusammen sind das Werkstück. Oberflächenmassewirkungen oder die Brücken zur Umgebung, all diese Signale werden mit und über Materialentscheidungen bestimmt.
Auch hier gilt jedoch die Grundregel des Formwollens: Die Form ist aus dem Material und mit dem Material entwickelt. Sie präsentiert sich aber dennoch mit der Idee der Selbständigkeit auch wenn die konkrete Formulierung stets an das Material gebunden ist. Nicht als Seufzer eines Kompromisses, sondern als Konzept des Formmöglichen, das so etwas wie eine konkrete eigenständige Position in einer Welt permanenter Neugestaltung von Objekten und umfassender Wachstumsbewegungen vorstellt.
Damit sind die Skulpturkörper von Andreas Sagmeister zudem Ruhezonen für das Auge des Betrachters – ruhende Zonen, die er nicht nur im Wortsinn „be-greifen“ kann, sondern auch eigene Bereiche mit der Möglichkeit einer eigenen Zeitdimension des Durchschreitens und Wahrnehmens.
Nicht zuletzt stehen diese Formgebilde daher auch für die Souveränität des Menschen im Umgang mit seiner Umgebungswelt. Dem Menschen ist es möglich, diese zu verändern, diese zumindest in einzelnen Bereichen formal neu zu bestimmen und somit auch zu anderen Entwicklungsperspektiven hin zu öffnen - vor allem mit den Möglichkeiten der Kunst.
Dr. Peter Assmann,
Dir. der OÖ Landesmuseen
Protecting the shape – on Andreas Sagmeister’s creating of works of art
In the beginning there is the will to shape; the will to develop the shape, to form it as a determined decision of shape and finally to present it.
Very clear and simple developments, as it seems, to be seen in manifold positions of art, but seldom presented in such clarity in the field of working the shape, like in the works of art performed by Andreas Sagmeister.
These works of art captivate through a self-evident will to shape, to carve out a clearly defined effective formal arrangement, being able, however, to follow intentionally already existing experiences of shape in the eye of the artist as well as the observer – if it is about an approach towards abstract basic forms of geometry, about functional objects like a bridge or about highly imaginative narrative objects like for example conceivable “houses for fairies”.
But the clarity of detachment is always preserved signalling above all formal independence.
Each object does not stand alone in the sense of modern age, but communicates with the postmodern era on the basis of experience, thus in the awareness of a wide range of relation and constantly existing situations of enlargement.
The spectator is not principally excluded and forced into a misinterpreted approach but he is led into a kind of partnership. He perceives an independent object, something familiar but at the same time not fully integrated into a former familiarity, something disconcerting but nevertheless loaded with many associations of access: a piece taken from the world, shaped in this world and yet with a silent demand for being a piece of world in itself or for leading to a possible independence.
The artist’s formal objects of independence are created very consciously for different occasions and classifications. Whether it is a small sculpture on the body in the sense of a piece of jewellery or a huge monumental work of art in a public place, if it is in direct connection with architecture or embedded into nature – Andreas Sagmeister constantly works on a definition of shape which is on the one hand independent on the other hand able to establish relations, a definition of shape which presents its peculiarity in the same way as the opening of its individuality in the direction of something that can be communicated.
In this process the titles of the works of art that are placed consciously by the artist are of enormous help.
Decisions on which materials to use are of highest importance – in their significance for themselves and also as a formal design and as formally connected partners.
The created shapes might be independent from the choice of material, but they are arranged in a concrete artistic presentation which is transported outwards as a unity which means that shape and material together are the work of art.
The effects of the mass on the surface or the bridges in connection to the surrounding, all
these signals are defined with the help of the decisions on which materials should be used.
But also in this field there is the basic rule of willingness to shape: the shape is developed out of the material and together with the material. But the shape is presented with an idea of independence even if the concrete form is always tied to the material. This is not a sigh of compromise but a concept of the possible form that presents some kind of concrete, original position in a world of permanent rearrangement of objects and extensive growth.
Thus the sculptures created by Andreas Sagmeister are a resting place for the eye of the beholder – resting zones that he cannot only touch, literally speaking, but they are also separate areas presenting the possibility of experiencing an own dimension of time while striding through them and perceiving them.
Last but not least these works of art are a sign of man’s superiority in dealing with his surroundings. It is possible for a human being to change his surroundings, to define them formally in a new way, at least in single areas and to open them to different perspectives of development, mainly with the possibilities of art.
Peter Assmann |